Rebekka Bauer
Die Aufstellung
DIE AUFSTELLUNG thematisiert die Weitergabe von Traumata des 2. Weltkriegs im Wohnhaus meiner Familie. Ausgangspunkt ist ein Archiv von 550 Metallobjekten, die mein Großvater, ein ehemaliger Wehrmachtssoldat, über mehrere Jahrzehnte im Keller unseres gemeinsamen Wohnhauses fertigte. Die Objekte werden in der handwerklichen Routine zu Trägern des Traumas. Um den Einfluss der unausgesprochenen Kriegserlebnisse auf den Familienalltag zu zeigen, setze ich die Metallgegenstände sowohl mit Kriegsfotografien als auch Familienfotos ins Verhältnis, die Ausschnitte aus dem Alltag meiner Familie bis in die frühen 2000er Jahre zeigen. Die Kriegsfotografien und Objekte nehmen dabei jeweils nacheinander eine ganze Seite ein. Durch Einlegeblätter werden die Objekte von den wesentlich kleineren Familienfotos, die durch ihre geringere Größe an Fotoabzüge aus Familienfotoalben erinnern, überlagert und mit dem Kriegsmaterial konfrontiert. Dort wo das Verstehen aufhört, beginnt das Sehen. Die Fotografien und Schichtungen stellen für mich den Versuch eines analytischen Blicks auf das Material dar.
Ich arbeite seit 2018 mit dem beschriebenem Material. 2019 habe ich im Kunstraum Ortloff Leipzig die 550 Objekte als einer Installation ausgestellt. Für mich war eine fotografische Dokumentation des Materials und die Übertragung in eine Buchform schnell zwingend, um mich analytisch an das Material heranzutasten. Für meine Diplomarbeit im Herbst 2020 konzipierte ich das Künstler:innenbuch DIE AUFSTELLUNG. Im Herbst 2022 zeige ich eine Weiterentwicklung der Installation und des Künstler:innenbuchs im Europäischen Künstlerhaus Oberbayern in einer Einzelausstellung.
Ich begreife meine künstlerische Arbeit als Selbstbefragung und -verortung. Dabei arbeite ich vor allem in den Medien Fotografie und Text. In meinen Arbeiten, die von den Techniken der Montage und filmischen Denken geprägt sind, beziehe ich mich auf filmische und literarische Erzählweisen, die ich sowohl künstlerisch als auch kuratorisch befrage. In DIE AUFSTELLUNG stelle ich in der Assemblage von gefunden und fotografierten Archivmaterialien eine fortlaufende Erzählung in Buchform her, die um Prosatext erweitert ist und meine eigene Herkunft befragt. Vom Bühnenbild kommend und mit der Wirkung und Inszenierung von Räumen vertraut, lege ich großen Wert auf die räumliche Darstellung der Arbeiten. Das dialogische und kollektive Arbeiten ist ein wichtiger Teil meiner Praxis. Ich arbeite gemeinsam mit anderen Künstler:innen, wie zuletzt mit Lucia Graf für die gemeinsame Arbeit Room with a sink, in der wir anhand der Protagonist:innen A und B die Themen Berührung, Kommunikation und Nähe verhandeln. Ich bin Teil des Kurator:innenkollektivs des Kunstverein Leipzig.
Biografie
*1991 in Freising (Oberbayern), lebt und arbeitet in Leipzig (DE)
2015-2020 Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (Diplom, Prof. Clemens von Wedemeyer)
2018 Akademie der bildenden Künste Wien (Prof. Anna Viebrock)
2011-2016 Universität Mozarteum Salzburg (Diplom, Bühnengestaltung)
seit 2020 Teil des Kurator:innenkollektiv des Kunstverein Leipzig
http://rebekkabauer.de