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Lilla Szász

Greetings from my new home (2018-2020)

Ausgangspunkt für Lilla Szász’ Fotoprojekt Greetings From My New Home ist die Geschichte der Retornados, der fast 800.000 portugiesischen Staatsbürger, die um 1975 aus den portugiesischen Kolonien in Afrika (Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde und São Tomé e Príncipe) nach Portugal umgesiedelt wurden.
Infolge des portugiesischen Kolonialkriegs, der 1961 begann, wurde die diktatorische Zweite Republik allmählich geschwächt, und mit dem Militärputsch von 1974 begann ein rascher Prozess der Entkolonialisierung. Die Aufnahme und Integration der Retornados, die damals fast ein Zehntel der portugiesischen Gesamtbevölkerung ausmachten, war eine große Herausforderung für den Staat und stellte ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des Landes während des 20. Jahrhunderts dar.
Szász’ Fotografien halten die persönlichen Aspekte dieses historischen Ereignisses fest und lenken die Aufmerksamkeit auf Fragen der Nostalgie, der Erinnerung, der Heimatlosigkeit und der Plastizität der Identität im Leben derjenigen, die ihre Heimat verlassen haben und sich in unterschiedlichem Maße an ihre neue Umgebung anpassen konnten. Lilla Szász bedient sich eines breiten Spektrums von Porträtansätzen und bietet uns Porträts von Menschen und Porträts von Orten. Ausgangspunkt für diese privaten Geschichten waren Orte, die heute noch existieren, Häuser unterschiedlicher Qualität, vom ehemaligen Fünf-Sterne-Hotel bis zur Militärkaserne. Diese Orte sind die physischen Aufbewahrungsorte der Erinnerungen ihrer ehemaligen Bewohner. Die Postkartenqualität der Fotografien – ihre Größe und ihr Sujet, das als eine Art Anspielung auf die häufige Abbildung von Hotels auf zeitgenössischen Postkarten verstanden werden kann – beschwört ein Gefühl des Reisens, der Vergänglichkeit und bietet eine Erinnerung an die Vergangenheit. So wirken die Bilder von Greetings From My New Home wie Botschaften, die vor einem halben Jahrhundert verschickt wurden.

Biographie

Lilla Szasz ist für ihre sozial inspirierten Arbeiten bekannt. Sie konzentriert sich auf Geschichten über die Verletzlichkeit von Menschen und befasst sich mit Fragen der Immigration, Identität und des Geschlechts. Ihre Praxis wurzelt im Prozess der Dokumentarfotografie. In ihren Langzeitprojekten beschäftigt sich Szasz mit Randgruppen von Menschen, die in geschlossenen, besonderen Gemeinschaften leben. Sie hat ältere Frauen in Frauenhäusern, junge kriminelle Mädchen in Haftanstalten, eine Familie von Prostituierten, einen Pornostar im Ruhestand, der sich um seine Mutter und seinen autistischen Neffen kümmert, und zuletzt eine HIV-infizierte Frau fotografiert, die vor zehn Jahren ihren Mann verloren hat und ihr Leben nun ganz der Freiwilligenarbeit widmet.
In ihrer 16-jährigen Karriere arbeitete sie an vielen ihrer Werkserien über Monate und Jahre hinweg, wuchs eng mit ihren Porträtierten zusammen und erzählte sehr persönliche Geschichten. Ihre sensibel-emphatischen und poetischen Bilder sind sorgfältige Beobachtungen von Details, um menschliche Beziehungen zu erkunden. Während des Fotografierens drängt sie sich nicht vor ihren Protagonisten auf, die eigene Persönlichkeit der Autorin unterdrückt die Figuren nicht, sondern lässt sie vor den Geschichten stehen.
Mit einem tiefen Interesse an menschlichen Schicksalen dokumentiert und interpretiert sie die zeitgenössischen postkommunistischen Verhältnisse, die weit über ihre Heimat Ungarn hinausreichen. In Sankt Petersburg hielt sie die Sonnenanbeter fest, eine Gruppe armer Menschen, die von Februar bis Ende November jeden Tag an der Mauer der Peter-Paul-Festung verbringen. Ihre Porträts von russisch-jüdischen Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die in New York leben, veranlassen uns zu der Frage, woher die Ideologie eines Menschen kommt und was unsere Identität ausmacht.
Lilla Szasz war schon immer beeindruckt davon, wie Menschen unter erbärmlichsten Umständen versuchen, Ziele in ihrem Leben zu finden und mit Hilfe von einfachen Freuden zu überleben, mit denen sie ihr Elend für eine Weile vergessen können. Sie sucht nach Geschichten, die sehr persönlich und gleichzeitig universell sind, um die sozio-politischen Widersprüche der heutigen Gesellschaft aufzuzeigen.
Neben ihrer künstlerischen Arbeit unterrichtet Lilla Szasz Kunst und Fotografie, ist Kuratorin und hat mehrere internationale Preise gewonnen. Sie unterrichtet ehrenamtlich Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen (bei der “Smile Foundation”) und Kinder drogenabhängiger Eltern (bei »Sober Babies«). Sie besuchte zahlreiche Workshops, u. a. bei Sylvia Plachy und den Verlagen Steidl und Aperture. Sie war Gastdozentin bei Saul Robbins Workshop »Regarding Intimacy« am International Center of Photography, New York. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt und veröffentlicht, darunter kürzlich Photo Espana, Aqui Estamos (Here we are) mit Richard Avedon, Richard Billingham und Paz Errazuriz; Shanghai World Expo, LIVE SYNC. Zeitgenössische Fotografie aus Ungarn; und Laboratory East Swiss Photo Award. Aqui Estamos (Here we are) wurde von Gerardo Mosquera und Monica Portillo kuratiert, hatte 640.000 Besucher und gewann den Publikumspreis bei Photo Espana.